Newsletter 29.04.2025

Die RWTH Aachen sucht Elektrosensible für eine Studie – wir
können leider nur einer sehr kleinen Gruppe der Elektrosensiblen
die Teilnahme empfehlen

Liebe Interessenten an einer gesunden verNETZung,
am Forschungszentrum für elektromagnetische Unverträglichkeit (femu) der
RWTH Aachen werden derzeit Studien zur Wahrnehmung elektrischer Felder im
Umfeld von Hochspannungsleitungen durchgeführt. Im Fokus stehen dabei
Menschen, die als elektrosensibel gelten. Gesund verNETZt empfiehlt jenen
Elektrosensiblen eine Teilnahme, die unmittelbar und eindeutig auf
niederfrequente, elektrische Felder reagieren.

Im Zuge der Energiewende wird Strom aus Offshore-Windparks im Norden
Deutschlands nach Mittel- und Süddeutschland transportiert. Dafür werden neue
Hochspannungsleitungen gebaut, die sowohl Gleichstrom (DC) als auch Wechselstrom
(AC) führen. Zur menschlichen Wahrnehmung elektrischer Felder bei Hochspannungs-
Gleichstromleitungen (HGÜ) und insbesondere zur Koexposition von Gleich- und
Wechselstromfeldern gibt es bislang kaum Untersuchungen.
Weder die 26. BImSchV (siehe Abbildung) noch die ICNIRP geben Grenzwerte oder
Empfehlungen für die elektrische Feldstärke bei Gleichstromleitungen vor. Auch für die
gleichzeitige Expositionen gegenüber Gleich- und Wechselstromfeldern existieren keine
spezifischen Vorgaben.

Frühere Studien [1, 2, 3, 4] deuten darauf hin, dass die Körperbehaarung die
Wahrnehmungsfähigkeit elektrischer Felder beeinflusst. Weitere Wirkmechanismen
werden diskutiert. Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass sowohl Gleich- als auch
Wechselstromkomponenten die Schwelle zur Wahrnehmung elektrischer Felder senken
können – allerdings wurden diese Studien mit Teilnehmenden aus der
Allgemeinbevölkerung durchgeführt.
Die aktuelle Studie konzentriert sich erstmals gezielt auf elektrosensible Personen. Die
RWTH Aachen lädt daher Betroffene zur Teilnahme ein. Wenn die
Wahrnehmungsschwelle sinkt sobald AC- und DC-Leitungen parallel verlaufen, kann
dieses wiederum Auswirkungen auf zukünftige Trassenführungen haben und ein
Abwägungsprozess zu anderen Interessen wie Wohnbebauung oder Landwirtschaft
könnten noch komplizierter werden.

Wir können Empfehlungen und Grenzwerte beeinflussen
Wir bemängeln, dass bei den bisherigen Grenzwerten die vulnerablen Personengruppen
nicht oder unzureichend beachtet wurden. Diese Studie könnte eine Grundlage für
Grenzwerte werden. gesund verNETZt sieht auch eine Chance, dass Elektrosensible in
der Forschung und somit in Grenzwerten und Empfehlungen berücksichtigt werden
könnten.


Herausforderungen und Kritik am Studiendesign
Bereits nach dem ersten Austausch mit dem Studienleiter wurde Abschirmmaterial
bestellt, um den Untersuchungsraum gegen hochfrequente Strahlung abzuschirmen –
dafür danken wir ausdrücklich. In anderen Bereichen besteht jedoch noch
Gesprächsbedarf:
Die Höchstspannungsleitungen dienen zum Stromtransport und erzeugen dabei
sowohl elektrische als auch magnetische Felder. Laut Bundesnetzagentur kann es
nur an wenigen Tagen im Jahr zur Situation kommen, dass ausreichend
„Sonnenstrom“ im Süden vorhanden ist, folglich kein Strom der Offshore-
Windparks benötigt wird und nur ein elektrisches Feld ohne magnetische
Komponente an den Leitungen anliegt. Das Studiendesign simuliert somit ein sehr
seltenes Szenario und entspricht nicht den überwiegenden realen Bedingungen.
In den Teilnahmeinformationen schreibt der RWTH, dass laut aktueller
Studienlage kein kausaler Zusammenhang zwischen Exposition und Symptomen
bei EHS nachgewiesen werden kann. Wir haben unsere Stellungnahmen zu den
systematischen Reviews der WHO zur idiopathischen Umweltintoleranz
gegenüber elektromagnetischen Feldern [www.gesund-verNETZT.de] an den
Studienleiter Michael Kursawe, (Dr. Psychologie) übermittelt.
Aus Sicht der Betroffenen ist die Aussagekraft der bisherigen Studien gering, da
wesentliche Kriterien der individuellen Symptomatik und der realen
Expositionsbedingungen nicht beachtet wurden. Genau diese Problematik sehen
wir in der aktuellen Studie. Das Studiendesign birgt die Gefahr, dass Betroffene
und deren Organisationen die Aussagekraft erneut als sehr begrenzt einschätzen.
Die Studie richtet sich formal an alle Elektrosensiblen. In der Praxis gibt es jedoch
verschiedene Gruppen: Betroffene, die auf Hochfrequenz (HF), auf HF und
Niederfrequenz (NF) oder ausschließlich auf NF reagieren. Die NF-Gruppe
unterteilt sich weiter, je nachdem ob auf elektrische Felder, magnetische Felder
oder beides reagiert wird. Besonders sensitiv auf Gleichspannungsfelder in
Kombination mit Wechselfeldern reagieren vermutlich nur sehr wenige
Betroffene.


Die breite Ansprache aller Elektrosensiblen erscheint daher nicht zielführend. Es
besteht die Gefahr, dass ohne differenzierte Betrachtung innerhalb der Gruppe der
Elektrosensiblen keine erhöhten Wahrnehmungsschwellen festgestellt
werden, (Wir verweisen auf unsere fiktive Analogie bei Allergenen in der
Stellungnahme zur Einschätzung des KEMF)
Anders formuliert: Die RWTH Aachen spricht alle Elektrosensiblen an, bezieht
sich auf Menschen mit einer idiopathischen Umweltintoleranz gegenüber
elektromagnetischen Feldern, benötigt aber Menschen mit einer hohen Intoleranz
gegenüber elektrostatischen Feldern. Diese stellen eine (unbekannt große)
Subgruppe aller Elektrosensiblen dar. Das erscheint uns nicht stimmig.
Der Wirkungsmechanismus über „die Haare“ kann mit dieser Studie gut erforscht
werden. Bei der Elektrosensibilität werden primär andere Wirkmechanismen
diskutiert u.a. die Öffnung von Calciumkanälen, oxidativer und nitrosativer Stress
sowie die Öffnung der Blut-Hirn-Schranke. Diese Mechanismen könnten die
vielfältigen Symptome plausibel erklären. Auch Fehlattributionen oder Nocebo-
Effekte spielen möglicherweise eine Rolle.
Für Betroffene mit verzögerter Symptomatik sind die vorgesehenen kurzen
Regenerationszeiten zwischen den bis zu 40 Einzeltestungen vermutlich nicht
ausreichend. Das Studiendesign kann diese individuellen Unterschiede nicht
abbilden. Daher halten wir es für umso wichtiger, dass vor allem jene teilnehmen,
die unmittelbar auf elektrische Felder reagieren.
Den Teilnehmern wird vor der Studie ein Fragebogen zugesandt. Der
Schwerpunkt der Fragen konzentriert sich auf psychologische Aspekte. Die
wenigen Fragen, die auf einen möglichen Zusammenhang zwischen körperlichen
Reaktionen und EMF-Belastung hinweisen könnten, erscheinen unzureichend.
Individuelle Reaktionen auf EMF spielen – wenn überhaupt – nur eine
untergeordnete Rolle. Die sehr wichtigen individuellen Regenerationszeiten
werden gar nicht abgefragt. Mit den Fragestellungen könnten sich vor allem
Fehlattributionen oder Nocebo-Effekte belegen lassen.
Unsere Empfehlung
In bisherigen Studien fing die Befeldung bei DC 1–4 kV/m mit AC-1–14 kV/m an. In
der Praxis treten bei 380 kV Leitungen in Bodennähe Werte von max. 5–9 kV/m auf.
Wir empfehlen daher: Alle Betroffenen, die in der Lage sind, das elektrische Feld unter
einer Hochspannungsleitung unmittelbar zu spüren (d.h. die Symptome treten beim
Durchfahren sofort auf und verschwinden rasch wieder), sollten sich bei der RWTH
Aachen melden. Im Labor werden pro Testsession 40 Einzeltestungen durchgeführt. Jede
Exposition dauert 15 Sekunden, anschließend bleiben 5 Sekunden zur Beurteilung, ob
eine Spannung anlag. Auch wenn die RWTH Aachen alle Elektrosensiblen anspricht,
empfehlen wir die Teilnahme ausdrücklich nur für die beschriebene Zielgruppe.
Fazit und Ausblick
Wir stellen uns die Frage, ob die Studie tatsächlich geeignet ist, die Wahrnehmung von
elektrischen Feldern unter HGÜ-Leitungen bei Menschen mit idiopathischer
Umweltintoleranz gegenüber elektrischen Feldern adäquat zu erfassen. Aus Sicht von
gesund verNETZt wäre es zielführender und kosteneffizienter, Studien in enger
Kooperation mit Betroffenenorganisationen zu konzipieren. Diese Bereitschaft haben
wir dem BfS bereits vor Jahren signalisiert.


Für eine gesund verNETZung
Thomas Warmbold
https://doris.bfs.de/jspui/bitstream/urn:nbn:de:0221-2025030650649/1/BfS_2025_3621SNA401.pdf
https://www.nature.com/articles/s41598-023-43556-2
https://www.nature.com/articles/s41598-022-07388-w
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33973657/
https://gesund-vernetzt.de/newsletter/who-neubewertung-der-gesundheitlichen-wirkungen-elektromagnetischen-felder-teil-ii/
https://www.emf-portal.org/de/emf-source/80
https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/elektrosmog/fachinformationen/elektrosmog-quellen/hochspannungsleitungen–freileitungen–als-
elektrosmog-quelle.html
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Thomas Warmbold

  1. Vorsitzender

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