2023/08 Planungen für die künftige Gigabit-Infrastruktur

Newsletter-Ausgabe 08/2023: Planungen für die künftige Gigabit-Infrastruktur

Hinweis: Die jeweiligen Links beziehen sich auf den Stand zum Zeitpunkt der Newslettererstellung.

Die EU-Kommission plant die nächste Generation der Internetinfrastruktur. Der aktuelle Gesetzesvorschlag für die zukünftige Gigabit-Infrastruktur (Gigabit infrastructur act: GIA) sieht vordergründig eine Kosteneinsparung vor. Dieses Ziel würde mit einer Mehrbelastung der Behörden und wesentlicher Einschränkung der Rechte von Hauseigentümern und Bewohnern einhergehen. Die Betreiber (z.B. Telekom) würden das Recht bekommen, 5G-Sender an „jeder“ Hauswand zu installieren. 

Schnelles Internet wichtiger Eckpfeiler der gesamten Wirtschaft

Nach Ansicht der EU-Kommission ist eine hochwertige digitale Infrastruktur neben den Strom-, Gas-, Wasser- und Verkehrsnetzen ein zunehmend wichtiger Eckpfeiler der gesamten Wirtschaft (siehe S.2 GIA).

Höhere Datenraten werden angestrebt

Bislang galt als Ziel eine Mobilfunkanbindung mit 30 Mbit/s. Diese schon hohe Verfügbarkeit gilt nicht mehr als zukunftssicher. Somit sollen Netze mit einer sehr hohen Kapazität (sog. VHC–Netze) geschaffen werden. Die Errichtung dieser Infrastruktur wäre mit hohen Kosten verbunden wie sie z.B. entstehen durch Masten, Leitungsrohre, Verteilerkästen und Antennenanlagen, Schwierigkeiten bei der Koordinierung von Bauarbeiten, aufwändige Genehmigungsverfahren und Engpässe beim Ausbau der gebäudeinternen physischen Infrastrukturen.

Neue 5G-Frequenzen mit sehr geringer Reichweite

Bislang werden überwiegend die Mobilfunkfrequenzen bis 3,7 GHz eingesetzt. Für eine Kapazitätssteigerung würden mehr Standorte benötigt, d.h. es müssten noch mehr teure Masten gebaut werden.

Geplant ist auch, dass Frequenzen ab 24 GHz eingesetzt werden. Diese haben aber nur eine geringe Reichweite von wenigen 100 Metern und durchdringen nur schwer eine Gebäudehülle.

Standorte für Mobilfunksender sollen ganz neu gedacht werden

Ausreichend Mobilfunkmasten für die Frequenzen mit sehr geringer Reichweite zu bauen, ist kostenmäßig nicht mehr darstellbar. Somit ist geplant, auf öffentliche physische Infrastrukturen, wie Verteilerkästen, Lichtmasten, Verkehrsschilder, Verkehrsampeln, Reklametafeln sowie Bus- und Straßenbahnhaltestellen und U-Bahnhöfe sowie Gebäudeeingänge zurückzugreifen.

Kosteneinsparende Lösungen nur in Ausnahmefällen

Mit den neuen VHC-Netzen soll „ein wirksamer Wettbewerb aufrechterhalten“ (siehe S. 21) bleiben. Das heißt, dass es ein nationales Roaming nur dann geben soll, wenn es auf andere Weise kostenmäßig nicht wirtschaftlich ist.

Vier 5G-Sender auf 100 Meter

In Deutschland gibt es für die aktuellen-5G Frequenzen vier Netzanbieter. Aufgrund von Interferenzen können nicht alle vier Sender der nächsten Generation an einer Straßenlaterne montiert werden. Somit ist davon auszugehen, dass es für die zukünftigen Frequenzen ab 24 GHz auf 100 Meter bis zu vier Standorte geben kann. Wenn wir uns eine durchschnittliche Straße anschauen, ist es nicht realistisch, dass ausreichend geeignete öffentliche, physische Infrastruktur (z.B. Straßenlaternen) vorhanden ist. Somit bezieht die EU-Kommission in diesem Gesetzesvorschlag auch die private physischen Infrastruktur, also z.B. Ein- und Mehrfamilienhäuser, mit ein.

Bislang endet der Versorgungsanspruch „an der Haustür“

Um einen 5G-Sender an der Hauswand installieren zu können, würde ein Glasfasernetz innerhalb der Wohnung benötigt. Bislang ist es üblich, dass ein Glasfaseranschluss im Haus ist und die weitere Internetversorgung dann mit einem Kupferkabel oder mit WLAN erfolgt.

Gemeinsames Eigentum soll geschaffen werden

Aktuell hätten die Netzbetreiber keine Möglichkeit, ohne Zustimmung der Eigentümer, sich einen Zugang zu der privaten physischen Infrastruktur zu verschaffen und Glasfasernetz in ausreichender Größenordnung steht auch nicht zur Verfügung.

Aus diesem Grund wird von der EU Kommission „gemeinsames Eigentum“ von Telekommunikationsfirmen und Hausbesitzern angestrebt um bis 2030 die Infrastruktur aufzubauen. Gedacht ist, Genehmigungen und Förderungen an Glasfaserausbau in Häusern zu koppeln. Für Deutschland würde das wie folgt aussehen: Es stehen erhebliche energetische Sanierungsmaßnahmen an (z.B. Wärmepumpen). Immer wenn umfangreiche Sanierungsmaßnahmen vorgenommen werden, können Fördergelder von der KfW Bank beantragt werden (GIA, S.4, Artikel 8). Damit würde verbunden sein, dass ein Glasfasernetz als gemeinsames Eigentum im Haus mit verbaut wird (S.43 Artikel 8). Mit dieser Beihilfe verbunden wäre ein Zugriffsrecht der Netzbetreiber. Genauso schlägt die Kommission vor, Baugenehmigungen für Neubauten nur noch auszustellen, wenn ein Glasfasernetz installiert wird (S.17 Artikel 8).

Das Zutrittsrecht soll ab einem Jahr nach der Fördergenehmigung (z.B. durch die KfW) greifen. Auch „technische Aktualisierungen“ sollen vorgenommen werden können, worunter perspektivisch 6G zu verstehen sein dürfte. (S. 41, 48, 49, 15, 32).

Wie solle die Haftungsfrage geregelt sein?

Zur Haftungsfrage steht im Vorschlag der EU-Kommission, dass die Netzanbieter „festgelegte Pflichten und Vorteile“ übernehmen sollen „mit Ausnahme der Bestimmungen hinsichtlich gebäudeinterner physischer Infrastrukturen und des Zugangs“. Die Bestimmungen sind nicht näher definiert. Somit ist davon auszugehen, dass mit dem „Zugang“ der 5G-Sender gemeint ist und damit der Privateigentümer per Verordnung die Haftung dieser Risikotechnologie übernehmen soll (S. 23).

Mieteinnahmen für 5G-Sender soll es nicht geben

Bislang haben Hauseigentümer für die freiwillige Übernahme des Risikos ca. 2500.-€ pro Sendeeinheit im Jahr erhalten. Statt diesen Einnahmen soll der Netzanbieter dem Kunden „wesentlich kostengünstiger“ einen Anschlusstarif ermöglichen (S. 33).

Streitbeilegungsstelle entscheidet über privates Eigentum

Die Betreiber hätten das Recht, diesen Zugangspunkt mitzunutzen. Wenn dieses nicht gewünscht ist, kann eine nationale Streitbeilegungsstelle angerufen werden, die eine verbindliche Entscheidung zur Beilegung der Streitigkeit innerhalb kürzerer Fristen treffen soll. Das würde heißen, dass mit Inkrafttreten dieser Verordnung es geltendes Recht des Betreiber wäre und es keine Widerspruchsmöglichkeit gäbe (S.17 Artikel 11). Selbst ein Gericht hätte kaum Möglichkeiten, dieses zu verhindern.

„Öffentliche Stellen“ bieten einen Ausweg

Nach diesem Vorschlag würde es nur einen Weg geben, die Installation eines 5G-Senders zu verhindern. Es soll die Möglichkeit eröffnet werden, die private physische Infrastruktur unter die Kontrolle einer „öffentlichen Stelle“ zu stellen. Eine „öffentliche Stelle“ ist eine Behörde eines Staates oder eine Gebietskörperschaft, eine Einrichtung des öffentlichen Rechts oder ein Verband, der aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen besteht (Artikel 2 S.40 4.)

Wenn frühzeitig das private Eigentum unter Kontrolle einer „öffentlichen Stelle“ gestellt werden würde, sollen diese angerufen werden können und mit dieser Beihilfe könnte nach dem Vorschlag der Kommission der Zugang u.a. aus Gründen des Schutzes der Umwelt, der Gesundheit der Bevölkerung und der öffentlichen Sicherheit oder zur Verwirklichung von Stadt- und Raumplanungszielen verweigert werden. Hier ist die Schwelle sehr niedrig. „Bestehende Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und der öffentlichen Gesundheit“ (Artikel 3 C S. 42) müsste die öffentliche Stelle bescheinigen.

Wären weiße Zonen noch möglich und kann dieser Vorschlag mit den sehr weitreichenden Eingriffen im Eigentumsrecht dem EU- Recht entsprechen?

Nach unserer Wahrnehmung ist dies noch nicht juristisch geklärt. Aber unsere Meinung dazu sagen wir gerne beim nächsten gesund verNETZt meeting wozu wir Sie herzlich einladen (s.u.).

EU-Verordnung oder -Richtlinie

Zwei Instrumente werden zur Umsetzung diskutiert: Verordnung oder Richtlinie. Die bisherigen EU-Vorgaben zum Ausbau der Breitbandinternetversorgung wurden als Richtlinie veröffentlicht. Dabei mussten die nationalen Parlamente jeweils die Richtlinie in eigene Gesetze umsetzen. Mit einer Verordnung würde die EU-Kommission den Gesetzesvorschlag für die gesamte EU beschließen, und es wäre für die gesamte EU geltendes Recht mit erheblichen Konsequenzen für die öffentlichen Behörden und für Haus- und Wohnungseigentümer.

Gesund verNETZt arbeitet in einer Arbeitsgruppe bei ESC (Europeans for Safe Connection) mit. Dort loten wir unsere Einflussmöglichkeiten aus, um diesen Gesetzesvorschlag abzuwenden.

Wo kann man mehr zur Gigabitinfrastruktur erfahren?

Am 28.08.2023 um 19:00 Uhr ist unser nächstes verNETZt-Meeting.

An diesem online-Meeting werden wir die geplante Gigabitinfrastruktur als Schwerpunktthema haben. Wenn Sie mehr zur diesem und andere Themen erfahren möchten und mit uns diskutieren möchten, senden Sie einfach eine Mail an . Dann erhalten Sie eine Einladung.

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Thomas Warmbold 
(stellvertretend für den gesund verNETZt Vorstand und alle, die an diesem Newsletter mitgewirkt haben)

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