Newsletter-Ausgabe 05/2025: Neue Infos zur Studie der RWTH Aachen
Liebe Interessierte an einer gesunden verNETZung,
im letzten Newsletter haben wir bereits über die Studien zur Wahrnehmung elektrischer Felder am Forschungszentrum für elektromagnetische Unverträglichkeit (femu) der RWTH Aachen informiert.
Unser 1. Vorsitzender Thomas Warmbold wollte an der gesamten Studie teilnehmen. Da er im Labor vor Ort mit einem Breitbandmessgerät bis zu 250μW/m2 (Peak) hochfrequente Strahlung gemessen hat, kam für ihn eine Teilnahme nicht infrage. Wir widmen diesen Newsletter noch einmal einer Zusammenfassung mit den Ergänzungen des Besuches des Forschungszentrums.
Was wird an der RWTH Aachen untersucht?
Am femu der RWTH Aachen werden derzeit Studien zur Wahrnehmung elektrischer Felder im Umfeld von Hochspannungsleitungen durchgeführt. Diese Forschung ist angesichts der Energiewende besonders relevant: Strom aus Offshore-Windparks im Norden Deutschlands wird über neue Hochspannungsleitungen – gleichzeitig sowohl Gleichstrom (DC) als auch Wechselstrom (AC) – nach Mittel- und Süddeutschland transportiert. Zur Wahrnehmung elektrischer Felder bei Hochspannungs-Gleichstromleitungen (HGÜ) und insbesondere zur gleichzeitigen Exposition gegenüber Gleich- und Wechselstromfeldern gibt es bislang kaum Untersuchungen.

Wer reagiert auf elektrische Felder?
Frühere Studien der RWTH Aachen legen nahe, dass die Körperbehaarung die Wahrnehmungsfähigkeit elektrischer Felder beeinflusst. Auch andere Wirkmechanismen werden diskutiert. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass sowohl Gleich- als auch Wechselstromkomponenten die Schwelle zur Wahrnehmung elektrischer Felder senken können. Hybrid-Felder (Kombination aus DC und AC) werden offenbar besser wahrgenommen. In Studien mit der Allgemeinbevölkerung konnten etwa 40 Prozent der Teilnehmenden die niedrigste getestete Kombination von 2kV/m DC und 4kV/m AC erfolgreich wahrnehmen. In der Praxis treten bei 380-kV-Leitungen in Bodennähe Werte von maximal 5–9 kV/m AC auf. Es ist also nicht ungewöhnlich, wenn Menschen bei Koexposition ein Kribbeln auf der Haut verspüren. Ziel der Studien ist es, herauszufinden, was für die Bevölkerung als „zumutbar“ gilt.
Während bisher Teilnehmende aus der Allgemeinbevölkerung untersucht wurden, stehen nun elektrosensible Teilnehmer im Fokus.

Deutliche Kritikpunkte am Studiendesign
- Unzureichende Differenzierung der Teilnehmenden: Die Studie richtet sich formal an alle Elektrosensiblen. In der Praxis gibt es jedoch verschiedene Gruppen: Betroffene, die auf Hochfrequenz (HF), auf HF und Niederfrequenz (NF) oder ausschließlich auf NF reagieren. Die NF-Gruppe unterteilt sich weiter, je nachdem ob auf elektrische Felder, magnetische Felder oder beides reagiert wird. Den Betroffenen ist dieses meistens bekannt und sie können in etwa sagen, ab wann sie reagieren. Eine Differenzierung der Teilnehmer in diese Subgruppen findet in der Studie nicht statt. Somit kann in der Studie gar nicht differenziert werden, wie viele Probanden, die vor der Studie von einer erhöhten Sensibilität gegenüber elektrischen Feldern berichtet haben, dieses auch während der Studie gezeigt haben.
- Grundbelastung im Labor: Es sind alle Elektrosensible eingeladen. Viele Betroffene reagieren auf das elektromagnetische Feld schon ab 1μW/m². In dem Labor wurden von Thomas Warmbold bis zu 250μW/m² (Peak) (49-89 μW/m² AVG) gemessen. Die Testung sollte bis zu 8 Stunden dauern. Die RWTH konnte vor der Anreise diese Grundbelastung nicht benennen. Das ist bedauerlich. Ebenso bedauerlich ist es, dass der Studienleiter niederfrequente elektrische Felder und hochfrequente elektromagnetische Strahlung nicht differenziert betrachten konnte. (Es läge nur ein „Hintergrundrauschen“ vor). Unsere Schlussfolgerung ist, dass nur Elektrosensible für diese Studie geeignet sind, die „nur“ eine sehr geringe Sensibilität gegenüber elektromagnetischen Feldern haben.
- keine Symptomerfassung, nur das unmittelbare Spüren des Feldes: Die Betroffenen berichten von einer Fülle an Symptomen. Zum Beispiel: Kopfschmerzen, Infektanfälligkeit und neurologische Ausfälle („Brain Fog“), Herzrasen, Schlafprobleme etc.. Kribbeln auf der Haut ist nur ein Symptom. Während und nach dem Provokationstest werden alle weiteren Symptome, die Hinweise auf gesundheitliche Folgen durch das elektrische Feld liefern könnten, gar nicht standardisiert erfasst – nur das unmittelbare Spüren des elektrischen Feldes ist in dieser Studie relevant.
- Fokus auf psychologische Fragebögen: Am ersten Studientag lag der Schwerpunkt auf standardisierten seriösen, psychologischen Fragebögen. Individuelle Reaktionen auf EMF spielten keine Rolle. Zusammen mit den zuvor zugesandten Fragebögen könnten sich vor allem Fehlattributionen oder Nocebo- Effekte belegen lassen. Das stellt die Neutralität des Studiendesigns in Frage. Diese seriösen psychologischen Fragebögen hätten sinnvoll sein können, wenn sie einen Bezug zur physikalischen Umwelt gehabt hätten.
- Zu kurze Expositionszeiten: Die meisten Betroffenen reagieren mit einer verzögerten Symptomatik und benötigen eine längere Reaktionszeit. In dem Provokationstest dauert jede Exposition 15 Sekunden, anschließend bleiben 5 Sekunden zur Beurteilung, ob eine Spannung vorlag. Aus unserer Wahrnehmung ist dieses nicht ausreichend.
Vielleicht hilft ein Vergleich zum Verständnis: Führen Sie einen standardisierten Test mit Probanden, die sich selbst als Allergiker bezeichnen, durch. Lassen Sie einen Teilnehmer im 20-Sekunden-Takt einmal nusshaltige, dann gleichfarbige Mandelkekse auf die Zunge legen, und er soll entscheiden, wann es welcher Keks war. Üblicherweise dauert es aber ca. 30 Minuten, bis ein Effekt eintritt und Tage, bis er wieder nachlässt. Sie finden Ergebnisse im Bereich der Rate-Wahrscheinlichkeit. Erstaunt das? Und was wäre, wenn dieser fiktive Proband nach seiner Selbsteinschätzung zur Subgruppe der Nussallergiker gehört und mit sehr heftigen allergischen Reaktionen bis hin zu Schockzuständen reagiert? Würde das auch ethische Fragen aufwerfen?
Das Fazit vom Besuch des Forschungszentrums: Es darf die Sinnhaftigkeit dieser Studie im Verhältnis zu den Kosten infrage gestellt werden. gesund verNETZt hat angeboten, beim Konzipieren von Studien mitzuwirken.
Unser erster Newsletter zum Thema:
https://gesund-vernetzt.de/newsletter/2025-04-rwth-aachen-sucht-elektrosensible-fuer-studie/
Interview mit Dr. phil. Michael Kursawe, dem Leiter der Studie:
https://ac-forscht.de/interview-mit-dr-phil-michael-kursawe-zum-thema-perzeptionsschwellenlabor
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Thomas Warmbold
1. Vorsitzender